Mitscherlich

Mitscherlich
Mịtscherlich,
 
1) Alexander, Chemiker, * Berlin 28. 5. 1836, ✝ Oberstdorf 31. 5. 1918, Sohn von 3), Vater von 5); Professor in Münden (1868-83); führte 1878 ein technisch brauchbares Verfahren zur Gewinnung von Zellstoff aus Holz (Sulfitverfahren) ein.
 
 2) Alexander, Psychoanalytiker und Publizist, * München 20. 9. 1908, ✝ Frankfurt am Main 26. 6. 1982, Ȋ mit 4). Nach geisteswissenschaftlichen Studien (1928-32) in München, Berlin und Freiburg im Breisgau und mehrmaliger Verhaftung durch die Nationalsozialisten wegen politischer Betätigung studierte Mitscherlich (ab 1933) Medizin in Zürich und - bei V. von Weizsäcker - in Heidelberg, wo er 1949 die Abteilung für psychosomatische Medizin an der Universität gründete und anschließend (ab 1952 als Professor) leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Mitscherlich als Beobachter und Berichterstatter am Nürnberger Prozess gegen NS-Ärzte teil (»Medizin ohne Menschlichkeit«, 1949, mit F. Mielke). Ab 1960 leitete er das Sigmund-Freud-Institut, ein Ausbildungs- und Forschungsinstitut für Psychoanalyse, in Frankfurt am Main. 1966 übernahm er an der dortigen Universität den Lehrstuhl für Psychologie. - Mitscherlich gab ab 1947 zusammen mit seiner Frau die Zeitschrift »Psyche« heraus. 1969 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
 
Mitscherlich bemühte sich v. a. um die Anwendung psychoanalytischer Methoden und Erkenntnisse auf soziale Phänomene, insbesondere die Erscheinungen der Vermassung, die er auf eine »Schwächung des Ich. .. im Hinblick auf die Fähigkeit, aus dem Unbewussten aufsteigende Triebregungen abzufangen und. .. sozial fruchtbar umzuformen«, zurückführte. In der Medizin plädierte Mitscherlich für ein Verständnis des Krankheitsgeschehens als eines komplexen psychosomatischen Vorgangs, bei dem auch die sozialen Einflüsse zu berücksichtigen sind.
 
Weitere Werke: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft. Ideen zur Sozialpsychologie (1963); Die Unwirtlichkeit unserer Städte (1965); Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens (1967, mit Margarete Mitscherlich); Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivität (1969); Massenpsychologie ohne Ressentiment. Sozialpsychologische Betrachtungen (1972); Toleranz, Überprüfung eines Begriffs. Ermittlungen (1974); Der Kampf um die Erinnerung. Psychoanalyse für fortgeschrittene Anfänger (1975); Das Ich und die Vielen. Parteinahmen eines Psychoanalytikers (1978); Ein Leben für die Psychoanalyse. Anmerkungen zu meiner Zeit (1980).
 
 3) Eilhard Alfred, Chemiker, * Neuende (heute zu Wilhelmshaven) 7. 1. 1794, ✝ Schöneberg (heute zu Berlin) 28. 8. 1863, Vater von 1), Großvater von 5); seit 1822 Professor in Berlin. Mitscherlich entdeckte die Isomorphie bei Kristallen, die Polymorphie chemischer Verbindungen und die Schwefelmodifikationen; entwickelte analytische Bestimmungsmethoden (z. B. eine nach ihm benannte Phosphorprobe), klärte die Struktur mehrerer Stoffe und konstruierte den ersten Polarisationsapparat.
 
 4) Margarete, Psychoanalytikerin und Publizistin, geboren Nielsen, * Graasten (Dänemark) 17. 7. 1917, Ȋ mit 2); studierte Medizin, später psychoanalytische Ausbildung in Stuttgart, London und Heidelberg. Neben der Zusammenarbeit mit ihrem Mann (v. a. »Die Unfähigkeit zu trauern. ..«, 1967) setzte sie sich u. a. mit der Problematik der Idealisierung (»Das Ende der Vorbilder«, 1978), der Geschlechterbeziehungen (»Männer. Zehn exemplarische Geschichten«, 1980, mit Helga Dierichs) und dem Rollenverhalten der Frau in der Politik (»Die friedfertige Frau«, 1985; »Die Zukunft ist weiblich«, 1987) auseinander.
 
 5) Max Eilhard Alfred, Agrarwissenschaftler und Bodenkundler, * Berlin 29. 8. 1874, ✝ Paulinenaue (Landkreis Nauen) 3. 2. 1956, Sohn von 1), Enkel von 3); 1906-40 Professor in Königsberg, ab 1946 Berlin (Ost); ab 1949 Leiter des agrarwissenschaftlichen Instituts in Paulinenaue. Durch seine Arbeiten zur angewandten Bodenkunde, Pflanzenphysiologie und Düngung trug Mitscherlich wesentlich zur Steigerung der Bodenerträge bei.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Mitscherlich — ist der Familienname folgender Personen: Alexander Mitscherlich (1908–1982), deutscher Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (Chemiker) (1836–1918), deutscher Chemiker und Fabrikant Andrea Ehrig Mitscherlich (* 1960), deutsche… …   Deutsch Wikipedia

  • Mitscherlich — is a Germanic surname which may refer to: Alexander Mitscherlich (1836–1918), a German chemist Alexander Mitscherlich (1908–1982), a German psychiatrist Andrea Ehrig Mitscherlich (born 1 December 1960), a former German speed skater Christoph… …   Wikipedia

  • MITSCHERLICH (E.) — MITSCHERLICH EILHARD (1794 1863) Chimiste allemand, né à Neuende et mort à Berlin, qui est devenu célèbre à la suite de ses travaux sur l’isomorphisme. Eilhard Mitscherlich étudie les langues orientales à Nuremberg puis à Paris et espère… …   Encyclopédie Universelle

  • Mitscherlich — 1) Christoph Wilhelm, geb. 1760 zu Weißensee in Thüringen, wurde 1782 Collaborator am Pädagogium zu Ihlefeld, 1785 Professor der Philosophie in Göttingen u. 1809 der Beredtsamkeit; er legte 1833 seine Stelle nieder u. st. 5.,6. Januar 1854. Er… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Mitscherlich — Mitscherlich, 1) Christoph Wilhelm, Philolog, geb. 20. Sept. 1760 zu Weißensee in Thüringen, gest. 6. Jan. 1854 in Göttingen, studierte seit 1779 in Göttingen, wurde 1782 Kollaborator in Ilfeld, 1785 außerordentlicher, 1794 ordentlicher Professor …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Mitscherlich — Mitscherlich, Eilhard, Chemiker, geb. 7. Jan. 1794 in Neuende bei Jever, 1821 Prof. in Berlin, gest. 28. Aug. 1863 in Schöneberg bei Berlin, entdeckte den Isomorphismus und den Dimorphismus, die Selensäure, die Übermangansäure, eine Methode zum… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Mitscherlich [1] — Mitscherlich, Christoph Wilh., geb. 1760 zu Weißensee in Thüringen, gest. 1854 als Professor der Philologie zu Göttingen, gab Ovids Metamorphosen sowie die Oden und Epoden des Horaz u.a.m. heraus …   Herders Conversations-Lexikon

  • Mitscherlich [2] — Mitscherlich, Eilhard. Geh. Medicinalrath und Professor der Chemie zu Berlin, geb. 1794 zu Neuende bei Jever, studierte zu Heidelberg Philologie, besonders orientalische Sprachen, nebenbei Naturwissenschaften u. widmete sich später in Berlin,… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Mitscherlich — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Patronyme Le nom de Mitscherlich est porté par plusieurs personnalités (par ordre alphabétique) : Alexander Mitscherlich (1908 1982), psychanalyste… …   Wikipédia en Français

  • Mitscherlich , Eilhardt — (1794–1863) German chemist Mitscherlich, who was born at Neuende in Germany, studied oriental languages at Heidelberg and Berlin. He then turned to the study of medicine at Göttingen in 1817, where he became interested in crystallography. For two …   Scientists

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”